Der Chelyabinsk-Meteor (oder Tscheljabinsk-Meteor) ist der bisher am besten dokumentierte Meteoritenfall in der Geschichte der Menschheit, er hat das wissenschaftliche Verständnis von Meteoritenfällen stark beeinflusst. Der Fall wurde von zahlreichen Videokameras aufgenommen, hauptsächlich von Verkehrsüberwachungskameras und von Dashcams, welche bereits in 2013 von vielen Russen zur Beweissicherung bei Verkehrsunfällen genutzt wurden. Der Fall ereignete sich am 15. Februar 2013 um 9:20 Uhr lokaler Zeit (03:20 UTC) in der Nähe der Stadt Tscheljabinsk, ca. 1500 km östlich von Moskau.
Der ursprüngliche Asteroid mit einem Durchmesser von ca. 20 Metern ist mit einer Geschwindigkeit von 67000 km/h (19 km/s) in die Erdatmosphäre eingedrungen. Man kann den ursprünglichen Körper übrigens Meteoroid oder Asteroid nennen. Im Allgemeinen sind Meteoroide kleiner als Asteroide, aber es gibt keine klare Größenangabe, die die beiden Objekte per Definition trennt. Sobald das Objekt auf dem Boden aufkommt, heißt es dann Meteorit. Während der Bremsphase in der Atmosphäre erhitzte sich die Oberfläche des Asteoriden so stark, dass er selbst für einen Beobachter in 100 km Entfernung noch heller als die Sonne erschien. Einige Menschen in der Nähe des Ereignisses erlitten durch die intensive Lichtstrahlung einen Sonnenbrand.
Aufgrund der enormen Belastungen, die sich beim Eintreten in die dichte Erdatmosphäre bei solch hohen Geschwindigkeiten ergeben, ist der Chelyabsink-Asteroid mehrmals in großer Höhe explodiert. Die Hauptexplosion fand in etwa 30 km Höhe statt. Die Schockwelle der Explosion verursachte bei 1500 Personen meist leichte bis mittelschwere Verletzungen, hauptsächlich durch geborstene Fensterscheiben. Die Explosionsenergie entspricht der von 600 Kilotonnen TNT - oder mehr als 30 Hiroshima-Atombomben. Diese Explosion erzeugte die meisten der später gefundenen Meteoriten. Der mit Abstand größte Teil des Asteroiden ist allerdings in der Erdatmosphäre zu feinem Staub verdampft, die Staubwolke war für kurze Zeit so heiß, dass sie orange leuchtete. Nur ca. 4 Tonnen oder 0,05 % der ursprünglichen Masse haben es in Form von Meteoriten bis auf die Erdoberfläche geschafft. Ein Teil davon wurde später bei einer intensiven Suche - hauptsächlich von privaten Sammlern - gefunden. Dank dieser Sammler halten wir heute mehr Material in den Händen als für wissenschaftliche Untersuchungen benötigt wird. Das größte Stück mit einer Masse von 654 kg fiel in den Tschebarkul-See westlich von Tscheljabinsk und wurde am 16. Oktober 2013, 8 Monate nach dem Fall, geborgen.
Der Ursprungsasteroid war ein typischer Apollo-Asteroid, eine Untergruppe der erdnahen Asteroiden, die die Erdbahn während ihres Umlaufs um die Sonne kreuzen. Typische Apollo-Asteroiden halten sich einige Millionen Jahre im Orbit auf, bevor sie mit einem der inneren Planeten kollidieren. Die Apollo-Asteroiden kommen aus dem Asteroidengürtel, wo sie sich lange auf einem stabilen Umlauf zwischen Mars und Jupiter befinden. Erst durch eine Kollision zwischen Asteroiden untereinander oder aufgrund auftretender Resonanzen mit dem Planten Jupiter werden sie auf eine stärker elliptische Umlaufbahn abgelenkt und verlassen so den Asteroidengürtel. Der Chelyabinsk-Meteorit hatte sein Aphel (der sonnenfernste Punkt des Umlaufs) immernoch im Asteroidengürtel, während sein Perihel (der sonnennächste Punkt der Umlaufbahn) sich innerhalb der Erdbahn befand.
Der Chelyabinsk-Meteorit ist ein gewöhnlicher Chondrit vom Typ LL5. LL steht für "low metal, low iron" und besagt, daß der Anteil an Metallen (ca. 20%) in diesem Meteoritentyp geringer ist, als bei den anderen Typen. Die 5 steht für den petrologischen Typ, der bei gewöhnlichen Chondriten von 3 bis 7 reicht und den Grad der thermischen Metamorphose angibt, also wieweit das Gestein nach seiner Entstehung vor 4.5 Milliarden Jahren durch thermische Einflüsse verändert wurde. Es gibt zwei unterschiedliche Arten von Chelyabinsk-Meteoriten:
- Etwa 70% der Meteoriten sind aus für Chondriten typischem hellen Gestein zusammengesetzt. Beim Chelyabinsk-Meteorit ist das Gestein häufig von dunklen Schockadern durchzogen. Die Schockadern sind Zeugen einer oder mehrerer früherer Kollisionen, sie sind also nicht durch den Fall auf die Erde entstanden. Die bei der Kollision freigesetzte Wärme führte zum partiellen Aufschmelzen des Eisens und Nickels im Gestein. Bei der anschließenden Abkühlung bilden sich die Metalladern, die im Regelfall eine Dicke von nur 0.1 bis 1 mm aufweisen.
- Ungefähr 30% der Chelyabinsk-Meteoriten bestehen hauptsächlich aus sogenannter impact melt breccia oder IMB (manchmal im Deutschen auch als Impakt-Schmelz-Brekzie bezeichnet). Das Gestein dieser IMB-Meteoriten wurde bei einem gewaltigen Einschlag im Weltall geschmolzen und ist anschließend aus der Schmelze rekristallisiert. Diese Art von Chelyabinsk-Meteoriten belegen mindestens eine enorme Kollision in der Geschichte des Asteroiden. Die impact melt breccia besteht aus schwarzen Chondrit-Fragmenten, die in eine feinkörnige Matrix eingebettet sind. Während Schockadern in hellem Gestein einen nur leichter geschockten Bereich des ursprünglichen Asteroiden repräsentieren, stammen die sehr dunklen IMB-Meteoriten von den Bereichen, die während der Kollision besonders hohen Drücken und Temperaturen ausgesetzt waren und daher großflächiger aufschmolzen.
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