Das elektromagnetische Spektrum umfasst alle in der Natur vorkommenden Wellenlängen elektromagnetischer Strahlung, von der hochenergetischen Gammastrahlung bis hin zu den niedrigenergetischen Radiowellen.
In der Astronomie können viele Phänomene nur in ganz bestimmten Wellenlängenbereichen beobachtet werden. Indem Astronomen den Himmel im gesamten Spektrum der elektromagnetischen Strahlung, also mithilfe optischer Teleskope, Röntgenteleskope, Mikrowellenteleskope und Radioteleskope abscannen, sehen sie Dinge, die im sichtbaren Licht verborgen geblieben wären. Sichtbares Licht ist nur ein kleiner Teil des gesamten elektromagnetischen Spektrums mit Wellenlängen von 380 nm (Nanometern oder 10-9 m) bis 740 nm. Die gesamte Bandbreite des Spektrums ist in der folgenden Abbildung dargestellt.
Jede elektromagnetische Strahlung besteht aus Photonen mit einer bestimmten Energie und damit auch mit einer bestimmten Wellenlänge. Je höher die Energie, desto kleiner ist die Wellenlänge des Photons. Jedes Objekt strahlt automatisch elektromagnetische Strahlung vieler verschiedener Wellenlängen aus. Welche Wellenlängen genau das sind, hängt praktisch nur von der Oberflächentemperatur des Objektes und nicht vom seinem Material ab. Ein Mensch strahlt z.B. hauptsächlich im infraroten Bereich, in der Astronomie strahlt fast jeder Himmelskörper, von den Sternen bis zu den Nebeln oder Planeten. Ein Objekt mit einer Temperatur von einer Millionen K (Grad Kelvin) strahlt dabei hauptsächlich im Gamma- und Röntgenstrahlenbereich, kühlere Objekte im Infrarot- und Radiowellenbereich. Unser Artikel über die Schwarzkörperstrahlung erklärt das noch etwas genauer.
Die Grafik zeigt, welche Wellenlängen die Strahlung hat, die ein Körper einer bestimmten Temperatur ausstrahlt. Die Intensität ist hier logarithmisch aufgetragen, d.h., zwei waagerechte Linien unterscheiden sich in ihrer Strahlungsintensität um einen Faktor 10, bei drei Linien sind wir schon bei einem Faktor von 100. Ein Stern mit einer Oberflächentemperatur von 10000 K emittiert die meiste Strahlung im UV-Bereich und noch sehr viel im blauen Bereich des sichtbaren Lichts, ein Stern mit 4000 K strahlt hauptsächlich im roten sichtbaren Lichtbereich. Deshalb erscheinen uns heiße Sterne am Nachtimmel bläulich, kühle Sterne eher in roter Farbe. Wenn wir alle Objekte im Universum, die Strahlung aussenden, beobachten wollen, müssen wir aber auch die anderen Wellenlängen betrachten. Nur mit Hilfe von Infrarot- und Radioteleskopen können wir die kühleren Objekte wie Braune Zwerge, Staub oder molekularen Wasserstoff sehen. Mit Röntgenteleskopen hingegen können wir hochenergetische Strahlungsquellen wie die Umgebung schwarzer Löcher oder von Neutronensternen sehen.
Die Sonne hat ihr Intensitätsmaximum im Bereich des sichtbaren Lichts (ca. 500 nm). Es ist also kein Wunder, dass unsere Augen perfekt auf diese Wellenlänge eingestellt sind, aber Infrarot- oder Röntgenstrahlung überhaupt nicht wahrnehmen können. Wir können nur den kleinen Bereich des gesamten Spektrums sehen, der von Objekten mit einer Temperatur von ein paar hundert Grad aufwärts ausgestrahlt wird. Unsere Sonne oder ein heiß glühendes Stück Eisen (ab 400 °C) fallen in diese Kategorie. Wäre unsere Sonne ein Roter Zwerg mit einer Oberflächentemperatur von 3000 K, dann würden unsere Augen eher für den infraroten Bereich des Spektrums angepasst sein, da das meiste Licht dann in diesem Bereich ausgestrahlt würde. Wir sprechen hier immer nur von Körpern, die selber Strahlung aussenden - unseren Mond z.B. können wir trotz seiner niedrigen Oberflächentemperatur sehr gut sehen, da er das Sonnenlicht nur reflektiert. Wir sehen also eigentlich Sonnenlicht, wenn wir den Mond betrachten und nicht Licht vom Mond selber.
Aber wie sieht der Himmel eigentlich aus, wenn wir ihn mit den Augen eines Röntgen- oder Radioteleskops betrachten? Was sehen wir, dass wir mit einem optischen Teleskop nicht sehen können? Schauen wir uns doch dazu ein paar Bilder der südlichen Feuerradgalaxie (M83) in unterschiedlichen Wellenlängen an. M83 ist eine 15 Millionen Lichtjahre entfernte Spiralgalaxie im Sternbild Wasserschlange. Sie ist ungefähr halb so groß wie unsere Milchstraße und sieht im sichtbaren Licht so aus:
Man sieht den kugelförmigen inneren Bereich der Galaxie - auch Bulge genannt - und die perfekte Spiralform von M83. In den hellen Spiralen entstehen grade jede Menge Sterne. Viele dieser Sterne sind noch recht jung und strahlen sehr intensiv in blau und weiß, daher zeichnen sich die Spiralen vom Rest der Galaxie deutlich ab. In den dunkleren Bereich der Galaxie gibt es fast genauso viele Sterne, die aber älter sind und bei weitem nicht so hell strahlen wie die jungen Sterne. Im Detail ist das in unseren Artikel über Sterne beschrieben. In der Galaxie gibt es auch eine große Anzahl von rötlichen Emissionsnebeln, das sind die Gebiete, in denen die Sterne grade entstehen. Außerdem erkennt man dunkle, wolkige Bereiche mit viel kaltem Gas und Staub, der das Licht der dahinter liegenden Sterne blockiert und daher dunkel aussieht. All dieser Staub ist Material, aus dem in den nächsten paar Milliarden Jahren neue Sterne entstehen können.
Schauen wir uns das Ganze jetzt mit einer anderen Wellenlänge an, dem Nahinfrarot. Das ist der Bereich des Infraroten, der unmittelbar an das sichtbare Licht angrenzt. Diese Strahlung durchdringt den dunklen Staub, wir können also hinter die Dunkelwolken sehen. Jetzt erkennen wir all die Sterne, die uns im sichtbaren Licht verborgen geblieben sind.
Die jüngsten und hellsten Sterne sind immer noch in den Spiralen angesiedelt, aber man sieht auch besser, dass der Bereich zwischen den Spiralen voller Sterne ist. Wenn wir uns weiter vom sichtbaren Licht entfernen und die Galaxie im Ferninfraroten betrachten, sehen wir immer mehr kühlere Objekte und die Materieverteilung innerhalb der Galaxie wird deutlicher.
Alles mit Temperaturen von ein paar hundert bis zu ein paar tausend Kelvin strahlt hauptsächlich im infraroten Bereich des Spektrums (in unserem Artikel über die Schwarzkörperstrahlung ist das genauer erklärt). Wenn wir die Galaxie mit noch längeren Wellenlängen betrachten (den Radiowellen) und gleichzeitig auch höher energetische Strahlung im UV-Bereich anzeigen, dann sieht M83 so aus:
Die Radiowellen zeigen uns, wo sich die kühlen Wasserstoffatome befinden. Diese wasserstoffreichen Arme reichen bis weit außerhalb des sichtbaren Bereichs der Galaxie. Die UV-Strahlung hingegen wird hauptsächlich von den ganz jungen und heißen Sternen abgestrahlt. Diese Sterne sind nur bis zu wenige Millionen Jahre alt. Das folgende Bild zeigt nur die ultraviolette Strahlung. Jetzt sieht man noch besser, wie weit nach außen sich auch die Sternentstehungsgebiete erstrecken. Viel weiter, als man es vermuten würde, wenn man sich die Galaxie nur im sichtbaren Licht anschaut.
Mithilfe eines Röntgenstrahlenteleskops werfen wir schließlich noch einen Blick auf die Bereiche mit den höchsten Temperaturen in der Galaxie.
Gamma- und Röntgenstrahlung haben die höchsten Energien des gesamten elektromagnetischen Spektrums. Nur Objekte mit Temperaturen von Millionen bis hin zu hunderten von Millionen Kelvin emittieren nennenswerte Mengen Gamma- und Röntgenstrahlung. Wie kann Materie auf solche Temperaturen aufgeheizt werden, wenn selbst die heißesten Sterne nur eine Oberflächentemperatur von 30000 K haben? Materie, die in ein schwarzes Loch oder auf einen Neutronenstern fällt, heizt sich bei Annäherung an das "Objekt der Begierde" auf solche Temperaturen auf. Also verraten uns Gamma- und Röntgenstrahlen, wo schwarze Löcher und Neutronensterne sind. Der helle rote Punkt links vom Galaxiezentrum ist eine sogenannte ultraleuchtkräftige Röntgenquelle, ein Bereich, wo ein schwarzes Loch oder ein Neutronenstern die Materie eines unmittelbar benachbarten Sterns anzieht und so mit der Zeit den Stern inhaliert. Man erkennt auf dem Bild auch ausgedehnte Areale mit extrem heißem Gas.
Bei der Beobachtung bestimmten Strahlung gibt es aber ein gravierendes Problem. Röntgenstrahlen und teilweise auch Infrarotstrahlen werden von der Erdatmosphäre absorbiert. Eigentlich können wir darüber sehr froh sein - niemand will der Röntgenstrahlung aus dem All ständig ungeschützt ausgesetzt sein. Aber aus diesem Grund müssen wir bestimmte Teleskope entweder als Satellit ins Weltall oder mit Ballons bzw. Flugzeugen in möglichst hohe Höhen bringen. Die im September 2022 außer Dienst gestellte Boeing 747 SOFIA (Stratospheric Observatory for Infrared Astronomy), eine Gemeinschaftsentwicklung der NASA mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist ein Beispiel für ein solches flugzeuggebundenes Teleskop zur Beobachtung im Infraroten.
Fassen wir zusammen:
Und das Problem mit den erdgebundenen Teleskopen verdeutlicht unser letztes Bild: Nur das sichtbare Licht, einige enge Bereiche im Infraroten und bestimmte Bereiche der Radiowellen passieren unsere Atmosphäre ungestört und können überhaupt von der Erde aus beobachtet werden.